11. März 2024

„Dynamische Gefährdungszulage“ – Wachpolizei

Die Einführung einer dynamischen Gefährdungszulage für die Beschäftigten der hessischen Wachpolizei ist eine der Forderungen, welche die arbeitnehmerseitig verhandelnden Tarifvertragsparteien, für uns der dbb, im Rahmen der zurzeit laufenden Tarifverhandlungen an die Arbeitgeberseite herangetragen haben.

Nachdem ich von verschiedenen Seiten nun mehrfach kritische Stimmen bzw. Unverständnis bezüglich dieser Forderung vernommen habe und mancher Kritiker die Auffassung vertritt, „die Wachpolizei sei doch trotz der Kürze ihrer Ausbildung und im Gegensatz zu „Wachpolizeien“ anderer Länder bereits relativ gut eingruppiert, damit seien auch entsprechende Gefährdungen abgegolten“, möchte ich hier versuchen das Dunkel um die Hintergründe dieser Forderung etwas zu erleuchten.

Zum einen hat die Länge einer Ausbildung weder etwas mit tatsächlich bestehenden Gefährdungen noch mit der Gewährung von Zulagen im Gesamtkontext einer bestimmten Tätigkeit zu tun.

Tatsächlich begründet sich die derzeitige Eingruppierung der hessischen Wachpolizistinnen und Wachpolizisten darauf, dass die hessische Wachpolizei hinsichtlich ihrer Rechtsstellung und Eingriffsbefugnisse, bundesweit ihres Gleichen sucht. 

Beschäftigte der hessischen Wachpolizei sind im Wortlaut der aktuell gültigen Verwaltungsvorschrift zu § 13 HSOG-DVO, Amtsträger im Sinne des Strafrechtes (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 STGB) und des Amtshaftungsrechts (Art. 34 GG in Verbindung mit § 839 BGB).

Als solche haben sie im übertragenen Aufgabenbereich die Eingriffsbefugnisse von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten. Sie haben, wie auch ihre verbeamteten Kolleginnen und Kollegen, die Pflicht, im Rahmen ihrer Aufgaben Straftaten zu erforschen und zu verfolgen, sowie alle keinen Aufschub duldenden Anordnungen zu treffen die erforderlich sind, um die Verdunkelung einer Sache zu verhindern sofern dafür nicht die Ermittlungspersoneneigenschaft der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. Ordnungswidrigkeiten ahnden sie analog zum Polizeivollzugsdienst. Im Rahmen der durch die VVWaPol benannten Aufgabenbereiche sind sie unter „sonstige Unterstützung des Polizeivollzugsdienstes“ nahezu vollumfänglich einsetzbar.

Ihre Ausrüstung gleicht der des Polizeivollzugsdienstes, ebenso sind sie zur Anwendung unmittelbaren Zwanges, auch unter Anwendung der zugelassenen Hilfsmittel und Waffen gem. § 61 Abs. (1) 1. und 4. a) HSOG ermächtigt. Für die Durchführung von Objektschutzmaßnahmen werden sie zusätzlich mit Maschinenpistole oder Mitteldistanzwaffe sowie besonderer ballistischer Schutzausrüstung ausgestattet. Die Aufnahme und das Fertigen von Strafanzeigen gehört zu den Aufgaben hessischer Wachpolizistinnen und Wachpolizisten.

Allein diese Tatsachen bilden innerhalb der „Wachpolizeien“ unserer Republik ein Alleinstellungsmerkmal der hessischen Wachpolizei ab, womit die Eingruppierung (EG 8, TV-H) wohl hinreichend begründet ist.

Die höhere Eingruppierung (EG 9a, TV-H) eines Teiles der hessischen Wachpolizeibeschäftigten resultiert zum einen aus der gem. EGO zum TV-H dafür erforderlichen Aufgabenübertragung, zum anderen aus der Verwehrung des seinerzeit gem. § 23a BAT vorgesehenen Bewährungsaufstieges, welcher diesem Beschäftigtenkreis infolge diverser Gerichtsverfahren nachgewährt werden musste. Bei diesen handelt es sich logischerweise regelmäßig um dienst- und lebensältere Kolleginnen und Kollegen.

Insbesondere im Ballungsraum des Rhein-Main Gebietes sind u. a. Objektschutzmaßnahmen die originäre Hauptaufgabe der hessischen Wachpolizei. In diesem Zusammenhang wurden in der Vergangenheit die zu schützenden Objekte und Personen entsprechend ihrer Gefährdungseinstufung dahingehend differenziert, dass Sie entweder durch Kräfte des Polizeivollzugsdienstes oder bei niedrigerer Einstufung durch die Wachpolizei geschützt wurden. Der Dienst an Schutzobjekten und im Umfeld von Personen welche einer „erhöhten Gefährdung“ unterlagen sowie das Führen der in diesem Zusammenhang erforderlichen zusätzlichen Einsatzmittel, war für die Beschäftigten der Wachpolizei seinerzeit Tabu.

Am Beispiel Objektschutz muss jedoch aktuell konstatiert werden, dass Umorganisationen in verschiedenen Bereichen des Polizeivollzugsdienstes während der frühen 2010ner Jahre dazu geführt haben, dass die Wachpolizei diese für sie vormals ausdrücklich tabuisierten Aufträge heute, ohne diesbezügliche Beachtung der jeweiligen Gefährdungseinstufung, selbstverständlich übernommen hat. Die Tatsache, dass auch heute noch einzelne Vollzugskräfte in den Mannschaften der Objektschutzeinheiten zu verorten sind, hat angesichts dessen, dass es sich in der Regel um vorübergehende Durchläufe handelt, niederschwellige Bedeutung.

Um der veränderten Ausgangslage zu begegnen, wurde seinerzeit der Wortlaut der VVWaPol entsprechend angepasst und hastig die Ausbildung an den zusätzlich erforderlichen Einsatzmitteln nachgeholt.

Die hessischen Wachpolizistinnen und Wachpolizisten sind heute damit beauftragt, eigenverantwortlich Störungen und Anschlagshandlungen zum Nachteil von Schutzobjekten sowie einzelner Personen jeglicher Gefährdungseinstufung, zu verhindern oder abzuwehren. Dazu sind sie entsprechend ausgerüstet und trainieren gezielt das Einwirken auf, sowie die Festnahme gefährlicher Straf- oder Attentäter.

Der unter Nr. 2.3 der VVWaPol nachzulesende Satz: „Der Einsatz der Wachpolizei darf nicht erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefährdung gegeben sind“, ist im Rahmen von Objektschutzmaßnahmen insoweit obsolet, da die Wachpolizistinnen und Wachpolizisten ja bereits an entsprechend gefährdeten Objekten vor Ort eingesetzt sind und im Falle einer Anschlagshandlung der erste Täterkontakt zwangsläufig über sie erfolgen wird!

Die Argumentation, Beschäftigte der Wachpolizei sollten im Ereignisfalle die „Polizei“ rufen, lässt mich sprachlos zurück. Wer sich nur ein wenig die wahrscheinliche Einsatzdynamik eines solchen „worst case“Ereignisses vor Augen hält wird zu dem Ergebnis kommen, dass die „Messe in den ersten Minuten gelesen wird“ und Erfolg oder Misserfolg der am Ereignisort erforderlichen polizeilichen Maßnahmen von den Fähigkeiten sowie der Entschlossenheit der vor Ort eingesetzten Wachpolizeikräfte abhängig sind.

Zum allgemeinen Bedauern findet diese Tatsache aus Sicht der betroffenen Beschäftigten bis heute nicht die ihr gebührende Anerkennung der Arbeitgeberseite, was sich auch in einer mittlerweile äußerst mühsamen Kräftegewinnung sowie ausgeprägten Abwanderungstendenzen aus dem derzeit vorhandenen Personalkörper widerspiegelt. Das daraus regelmäßig erhebliche Mehrbelastungen für die verbleibenden Kolleginnen und Kollegen entstehen, bedarf sicher keiner weiteren Erwähnung.

Nicht zuletzt aufgrund der aktuell angespannten, internationalen Sicherheitslage, benötigen unsere Freunde und Dienstleistungsnehmer dieser Tage ganz besonders den Schutz durch engagierte, hoch motivierte, mit entsprechenden Mitteln und Fähigkeiten ausgestattete Beschäftigte. Eine wertschätzende Anerkennung der vorab genannten Gegebenheiten in Form der Gewährung einer „dynamischen Gefährdungszulage für Beschäftigte der Wachpolizei“ würde dazu einen wertvollen, auftragszielorientierten Beitrag leisten.

 

Guido Dersch
Landestarifbeauftragter
DPolG Hessen

 

 

 

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